Gedankenparadoxon

„Der Weg ist das Ziel.“
„Das sagt meine Mutter auch immer.“, sage ich.
„Na, da hat sie aber auch Recht. Deine Mutter ist eine intelligente Frau.“
Ich war damals acht, als mein Sportlehrer mich mit diesen Worten zwang, einen Handstand zu machen, der mich mit gebrochener Hand direkt ins Krankenhaus beförderte. Der Weg ist das Ziel. Meine Mutter sagt das nun nicht mehr. Sie ist tot und ich stehe in einem leeren Flur des Krankenhauses und denke über die Bedeutung dieses Satzes nach.
Wenn der Weg das Ziel ist, was ist dann der Weg zum Weg?
Mal angenommen der Tod wäre das Ziel des Lebens, ist dann der Weg zum Tod das Leben selbst oder erst der Sterbeprozess? Und ist dann nicht das Leben wieder das Ziel? Aber wovon das Ziel? Ich glaube nicht an Gott. Ich glaube, dass Gott die Universalantwort für alles ist, was wir uns nicht erklären können. Die Antwort auf all meine Fragen, wäre wohl Wenn Gott es so will.
Aber was will Gott? Will Gott, dass mein Kopf in einem riesigen Paradoxon aus nicht enden wollenden Fragen festhängt? Will er, dass die gutherzigste Frau der Welt sterben musste? Will er überhaupt etwas? Wenn ich Gott wäre, würde ich erstmal nichts wollen, als allmächtig zu sein, um meine Unendlichkeit zu genießen.
Aber was wäre, wenn das Leben das Ziel des Lebens wäre? Nach dieser Theorie, wäre ich selbst das Ziel von mir. Aber was soll das für ein Ziel sein?
Ist das Ziel der Trauer um meine Mutter nicht der Abschluss der Trauer? Sonst wäre die Trauer das Ziel der Trauer und ich wäre dann …
„Herr Meyer? Mein Beileid. Ihre Familie wartet.“
„Ich komme schon.“, sage ich.
„Der Weg ist das Ziel, Herr Meyer. Es wird einfacher werden.“

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